- Zu wenig bezahlbarer Wohnraum für untere und mittlere Einkommen in den Großstädten
- Politik, Bauwirtschaft und Investoren stehen in der Pflicht
Sind die Innenstadtlagen künftig nur noch gutsituierten Hamburgern vorbehalten oder ist es gewollt, dass die Stadtteile ein Spiegel aller Gesellschaftsschichten sein sollen? Diese und weitere Themen diskutierten einer der führenden Experten des sozialen Wohnungsbaus, Michael Sachs, mit den 150 Gästen der Veranstaltung der Lloyd Fonds AG, „Lloyd Lectures“, in Hamburg.
Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum übersteigt den Bestand bundesweit seit Jahren bei Weitem. Dies gilt besonders für die Metropolregionen. In Hamburg beispielsweise fehlen aufgrund des rapiden Auslaufens von Sozialbindungen nach Meinung von Forschungsinstituten mehr als 100.000 zusätzliche geförderte Wohneinheiten. Die Stadt will pro Jahr 4.000 neue Sozialwohnungen bauen. „Die Bautätigkeit pro Jahr bleibt seit Jahren hinter dem Bedarf zurück“, sagt Michael Sachs, Vorsitzender des Expertenrates des Bundesbauministeriums zur Umsetzung der Wohnungsbauoffensive. „Das liegt unter anderem an überkommenen bürokratischen Vorgaben und überzogenen technischen Normen, die überwunden werden müssen. Die Bauwirtschaft sollte sich mit Möglichkeiten der Industrialisierung des Bauens beschäftigen, mit Modulen und Standards, mit Multifunktionalität. Die Politik in Bund und Ländern sollte sich an die schnelle Umsetzung der Kernempfehlungen des „Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen“ machen. Beide zusammen müssen über integrierte Planungs- und Baugenehmigungsprozesse Zeit sparen.“ Nach Einkommen haben über die Hälfte aller Hamburger Haushalte Anspruch auf geförderten Wohnraum.
Der demographische Wandel, veränderte Wohnansprüche sowie Zu- und Abwanderung stellen Kommunen und Wohnungswirtschaft bei der Wohnungsmarktentwicklung regional vor unterschiedliche Herausforderungen: einerseits gibt es einen Trend zur Haushaltsverkleinerung bei weiterhin steigendem Wohnflächenbedarf und eine Pluralisierung der Lebensstile. Andererseits polarisiert sich die Einkommensverteilung zunehmend – die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter – während der öffentlich geförderte Wohnungsbestand weiter abschmilzt. Die Gegenmaßnahmen auf politischer und kommunaler Ebene gehen nicht weit genug und greifen oftmals zu kurz.
Am Ende der Veranstaltung stand das Fazit, dass für eine Entspannung auf den Wohnungsmärkten Städte und Kommunen den nötigen Rahmen schaffen müssen. Für die Finanzierung bezahlbaren Wohnraumes sind dabei auch Investoren mit sozialverträglichen Lösungen gefordert. Durch die Diskussion führte Oliver Schirg, leitender Redakteur des Hamburger Abendblattes.
Mit dem Expertengespräch knüpft die Lloyd Fonds AG an eine erfolgreiche Veranstaltungsgeschichte an. Lloyd Lectures beschäftigt sich seit 2002 mit Themen aus Wirtschaft, Kultur und Politik. Zu den Rednern und Diskutanten zählen bisher u. a. Meinhard von Gerkan, Christoph Schlingensief, Gesine Schwan, Peter Bofinger, Thilo Bode, Christina Weiss, John C. Kornblum und Henning Voscherau.